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Ausweitung der 50%-Regel auf die US-(Re-)Exportkontrolle

Sep 30, 2025

Am 29. September 2025 trat eine neue Interim Final Rule („IFR“) des US Bureau of Industry and Security („BIS“) in Kraft, die (re-)exportkontrollrechtliche Beschränkungen auf verbundene Unternehmen bestimmter gelisteter Unternehmen ausweitet. Gemäß der IFR unterliegt jedes Unternehmen, das unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 50% im Eigentum eines oder mehrerer Unternehmen der Entity List, der Military End-User („MEU“) List oder bestimmter Unternehmen der Specially Designated Nationals and Blocked Persons („SDN“) List steht, selbst den Beschränkungen der Entity List / MEU List. Darüber hinaus legt die IFR zusätzliche Sorgfaltspflichten fest.

Hintergrund

Die Entity List und die MEU List sind Teil der Export Administration Regulations („EAR“). Sie legen zusätzliche (Re-)Exportkontrollbeschränkungen für den Fall fest, dass ein gelistetes Unternehmen an einer Transaktion beteiligt ist, d.h. zusätzliche Genehmigungspflichten für (Re-)Exporte und Inlandstransfers sowie den Ausschluss von Befreiungen von Genehmigungspflichten. Die Beteiligung eines auf der Entity List oder der MEU List aufgeführten Unternehmens führt oftmals automatisch zur Ablehnung des Genehmigungsantrages.

Bislang war der Anwendungsbereich der Entity List und der MEU List auf die darin ausdrücklich genannten Unternehmen beschränkt. Nach Auffassung des BIS ermöglichte dieser Ansatz jedoch Umgehungen, insbesondere durch die Gründung neuer Unternehmen, was wiederum den Verwaltungsaufwand für die Listung von Tochtergesellschaften auf der Entity List oder die MEU Listerhöhte.

Affiliates Rule des BIS

Um solchen Umgehungspraktiken entgegenzuwirken, hat das BIS nun die sogenannte „Affiliates Rule” eingeführt. Diese besagt, dass die mit der Listung auf der Entity List und der MEU List einhergehenden Beschränkungen auch für Unternehmen gelten, die zu mindestens 50% im unmittelbaren oder mittelbaren Eigentum eines oder mehrerer Unternehmen stehen, die auf der Entity List, der MEU List oder unter bestimmten Sanktionsprogrammen auf der SDN List aufgeführt sind, oder von nicht gelisteten Unternehmen, die Beschränkungen unterliegen, weil sie selbst zu mindestens 50% im Eigentum von gelisteten Unternehmen stehen.

Die Affiliates Rule ähnelt der 50% Rule des US Office of Foreign Assets Control („OFAC“), die seit langem im Sanktionsrecht etabliert ist. Wie auch bei der 50% Rule des OFAC schließt der Begriff des Eigentums sowohl unmittelbares als auch mittelbares Eigentum ein, und es reicht aus, dass die Eigentumsanteile mehrerer gelisteter Unternehmen gemeinsam 50% erreichen. Wie die 50% Rule des OFAC – und im Gegensatz zu den personenbezogenen Sanktionen der EU – stellt die Affiliates Rule ausschließlich auf das Eigentum und nicht auf anderweitige Kontrolle ab.

Die Affiliates Rule des BIS geht jedoch in bestimmten Aspekten über die 50% Rule des OFAC hinaus. Zunächst sieht die Affiliates Rule eine listenübergreifende Addition der Eigentumsanteile vor. Wenn beispielsweise ein unmittelbarer oder mittelbarer Eigentümer auf der Entity List und ein anderer unmittelbarer oder mittelbarer Eigentümer auf der MEU List aufgeführt ist und ihr gemeinsames Eigentum an dem betreffenden Unternehmen 50% erreicht, unterliegt das verbundene Unternehmen Beschränkungen. Des Weiteren gilt, dass die restriktivsten Beschränkungen in Bezug auf das betreffende verbundene Unternehmen Anwendung finden, wenn sich die für die gelisteten Eigentümer geltenden Beschränkungen unterscheiden (rule of most restrictiveness).

Infolge der Einführung der IFR wurden auch die Foreign Direct Product Rules („FDPR“) geändert. Gemäß den FDPR dürfen u.a. bestimmte außerhalb der USA hergestellte Produkte, die direkte Produkte bestimmter „kontrollierter” (d.h. in der US Commerce Control List aufgeführter) US-Technologien oder -Software sind oder die in einer Anlage außerhalb der USA hergestellt wurden, die selbst ein direktes Produkt bestimmter kontrollierter US-Technologien oder -Software ist, nicht ohne Genehmigung an bestimmte in der Entity List aufgeführte Unternehmen geliefert werden. Die Frage, welche US-Technologie oder US-Software und welche daraus resultierenden im Ausland hergestellten Waren erfasst sind, bestimmt sich nach der dem jeweiligen Listeneintrag zugeordneten Fußnote (1, 3, 4 oder 5). Mit der Einführung der IFR wird die FDPR, die für ein Unternehmen gilt, das mit einer Fußnote in der Entity List aufgeführt ist, auf nicht gelistete Unternehmen ausgeweitet, an denen Unternehmen, deren Eintrag mit einer Fußnote versehen ist, Anteile halten, wobei bereits eine Minderheitsbeteiligung ausreicht, wenn das Unternehmen zu insgesamt 50% oder mehr im Eigentum von Unternehmen auf der Entity List, der MEU List oder bestimmten SDNs steht. Wird ein nicht gelistetes Unternehmen beispielsweise zu 20% von einem Unternehmen gehalten, das auf der Entity Listsubject to footnote 1” gelistet ist, zu weiteren 5% von einem Unternehmen, das in der Entity Listsubject to footnote 3” aufgeführt ist, und zu 25% von einem Unternehmen, das in der MEU List aufgeführt ist, unterliegt das nicht gelistete Unternehmen sowohl den FDPR gemäß Fußnote 1 als auch Fußnote 3.

Zusätzliche Sorgfaltspflichten

Gemäß der neu eingeführten Red Flag 29 in den „Know Your Customer” Guidance and Red Flags des BIS sind (Re-)Exporteure und Inlandsverbringer verpflichtet, die Eigentumsverhältnisse der an einer Transaktion beteiligten Parteien zu ermitteln, sofern sie Grund zu der Annahme haben, dass diese im Eigentum einer oder mehrerer auf der Entity List, der MEU List oder der SDN List aufgeführter Unternehmen oder nicht aufgeführter Unternehmen stehen könnten, die Beschränkungen unterliegen, weil sie selbst zu 50% oder mehr von gelisteten Unternehmen gehalten werden.

In der Praxis ist es oft nicht möglich, die Eigentumsverhältnisse einer Partei zu ermitteln. In einem solchen Fall müssen (Re-)Exporteure und Inlandsverbringer vor der (Wieder-)Ausfuhr oder Inlandsverbringung eine Genehmigung des BIS einholen, sofern keine Ausnahme greift.

Darüber hinaus ist eine Minderheitsbeteiligung eines Unternehmens, das auf der Entity List / MEU List aufgeführt ist, oder andere bedeutende Verbindungen zu einem solchen Unternehmen (z.B. Überschneidungen bei der Zusammensetzung des Vorstands oder andere Anzeichen für eine Kontrolle) ein Warnsignal (Red Flag) für ein potenzielles Umleitungsrisiko, das zusätzliche Sorgfaltspflichten auslöst.

Was Unternehmen jetzt tun sollten

Unternehmen sollten ihre internen Richtlinien und Prozesse entsprechend der Anforderungen der Affiliates Rule anpassen. Alle an Transaktionen beteiligten Parteien müssen überprüft werden, um festzustellen, ob sie nach der Affiliates Rule Beschränkungen unterliegen. Insoweit wird es leider nicht mehr ausreichen, sich auf die Consolidated Screening List zu verlassen, da diese nicht gelisteten Unternehmen, die der Affiliates Rule unterliegen, nicht identifiziert. Stattdessen sollten Unternehmen die Nutzung von Sanktionslistenscreening-Software in Betracht ziehen, die geeignet ist festzustellen, ob Unternehmen zu 50% oder mehr im Eigentum gelisteter Unternehmen stehen.

Darüber hinaus sollten Unternehmen prüfen, ob ihre bevorstehenden Transaktionen unter die neue befristete Allgemeingenehmigung (Temporary General License – „TGL“) des BIS fallen, die ebenfalls Teil der IFR ist und am 28. November 2025 ausläuft. Die TGL genehmigt insbesondere (Re-)Exporte und Inlandstransfers nach oder innerhalb von Ländern der Ländergruppen A:5 oder A:6, wenn eine Partei der Transaktion den Beschränkungen nach der Affiliates Rule unterliegt. Alle Aktivitäten, die unter die Genehmigung dieser TGL fallen, unterliegen Dokumentationspflichten.

Porträt der Rechtsanwältin und Geschäftsführerin Dr. Katja Göcke, LL.M. Sie trägt einen schwarzen Blazer, eine gemusterte Bluse in Schwarz, Weiß und Rot sowie einen schwarzen Rock. Sie hat lange braune Haare und lächelt in die Kamera.
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