Das neue EUDR-Benchmarking-System und seine Auswirkungen
Am 22. Mai hat die Europäische Kommission das lang erwartete Benchmarking-System gemäß Artikel 29 der Verordnung (EU) 1115/2023 („EUDR”) sowie die zugrunde gelegte Methodik veröffentlicht. Im Rahmen des Benchmarkingsystems werden die Erzeugerländer in Länder mit geringem, normalem und hohem Risiko eingeteilt, je nachdem, wie hoch das Risiko der Entwaldung bei der Ernte oder Produktion von Rohstoffen ist, die in den Anwendungsbereich der EUDR fallen.
Das Benchmarkingsystem
Gemäß Artikel 29 EUDR stuft die Europäische Kommission alle Länder (oder Landesteile) als Länder mit hohem oder geringem Risiko ein. Allen anderen Ländern wird ein normales (Standard-)Risiko zugeordnet. Gemäß Artikel 2 Absatz 2 EUDR bezieht sich das Erzeugerland immer auf das Land, in dem der in einem relevanten Erzeugnis verwendete Rohstoff gewonnen, oder – im Falle von Rindern – aufgezogen wurde. Das bedeutet, dass das Benchmarkingsystem das Risiko von Produkten auf der Grundlage des Ursprungs der Rohstoffe und nicht auf der Grundlage des Standorts eines unmittelbaren Zulieferers bestimmt wird.
In Artikel 29 Absatz 3 EUDR werden die Kriterien für die Risikoeinstufung im Rahmen des Benchmarkingsystems festgelegt. Zu den Kriterien gehören das Ausmaß der Entwaldung und Waldschädigung, das Ausmaß der Erweiterung landwirtschaftlicher Flächen für relevante Rohstoffe, sowie Erzeugungstrends bei relevanten Rohstoffen und relevanten Erzeugnissen. Für diese Bewertung stützte sich die Europäische Kommission auf den Datensatz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen – genauer auf den Datensatz „Global Forest Resources Assessment“ (FAO FRA) sowie auf die Ernährungs- und Landwirtschaftsstatistik (FAOSTAT). Aus der von der Europäischen Kommission veröffentlichten Methodik geht zudem hervor, dass die Europäische Kommission die Eigentumsrechte, die Menschenrechte und die Informationen über die Rechte indigener Völker, wie es in Artikel 29 Absatz 4 EUDR vorgesehen ist, nicht direkt und schlüssig berücksichtigt hat. Lediglich bei der Einstufung von Hochrisikoländern hat die Europäische Kommission Maßnahmen berücksichtigt, „die vom UN-Sicherheitsrat oder vom Rat der Europäischen Union für die Ein- oder Ausfuhr der relevanten Rohstoffe und relevanten Erzeugnisse verhängt wurden“. Die Europäische Kommission betont außerdem, dass es aufgrund bestehender Sanktionen „unmöglich [sei,] eine Sorgfaltsprüfung entlang der Wertschöpfungsketten in diesen [Hochrisiko-]Ländern durchzuführen“. In Anbetracht dieser Aussage scheint es nicht mehr möglich, dass Waren, bei denen Holz aus diesen Ländern verwendet wird, in Übereinstimmung mit der EUDR eingeführt werden können. In jedem Fall müsste immer eine strenge Einzelfallprüfung durchgeführt werden, wenn die Geolokalisierungsdaten auf eine Herkunft aus einem Hochrisikoland hindeuten.
Eine erste Evaluierung des Benchmarkingsystems durch die Europäische Kommission ist für das Jahr 2026 vorgesehen.
Hochrisiko-, Standardrisiko- und Geringrisikoländer
Wie bereits letzte Woche aus Brüssel durchgesickert war, werden nur vier Länder als Hochrisikoländer eingestuft: Russland, Belarus, Myanmar und Nordkorea. 140 Länder werden als Länder mit geringem Risiko eingestuft. Das bedeutet, dass alle anderen Länder Standardrisikoländer bleiben, darunter Brasilien, Argentinien, Belize, Kolumbien, Côte d‘Ivoire, Äthiopien, Indonesien, Malaysia, Mexiko und Peru – also wichtige Anbaugebiete für die relevanten Rohstoffe Kakao, Kaffee und Holz. Anders als von Artikel 29 Absatz 1 und Absatz 2 EUDR vorgeschlagen, hat die Europäische Kommission beschlossen, nur Länder und nicht Regionen oder Teile von Ländern zu klassifizieren.
Folgen der Einstufung
Die Klassifizierung bringt einige Vereinfachungen für Länder mit geringem Risiko, sowie strengere Vorschriften für Länder mit hohem Risiko mit sich.
Die Einstufung als Land mit geringem Risiko führt zu vereinfachten Sorgfaltspflichten für Marktteilnehmer, wenn sie relevante Erzeugnisse, welche in einem solchen Land hergestellte relevante Rohstoffe enthalten, in Verkehr bringen oder ausführen, Artikel 13 EUDR. Dies bedeutet, dass die Marktteilnehmer zwar Informationen sammeln müssen, die belegen, dass die relevanten Erzeugnisse mit Artikel 3 übereinstimmen. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, eine Risikobewertung durchzuführen oder Verfahren und Maßnahmen zur Risikominderung zu ergreifen. Außerdem müssen sie die Komplexität der betreffenden Lieferketten und das Risiko der Umgehung der EUDR sowie das Risiko der Vermischung von konformen und nicht konformen Erzeugnissen bewerten.
Wird ein Land als Land mit Standardrisiko eingestuft, so hat dies keine unmittelbaren Auswirkungen für die Marktteilnehmer. Die Marktteilnehmer müssen die Anforderungen von Artikel 8 EUDR hinsichtlich der Sorgfaltspflichten in vollem Umfang erfüllen.
Auch die Einstufung als Hochrisikoland hat zwar keine direkten Folgen, jedoch indirekte Auswirkungen. Zum einen müssen die Marktteilnehmer damit rechnen, dass Produkte, die relevante Rohstoffe aus Hochrisikoländern enthalten, von den zuständigen Behörden strenger überprüft werden. Gemäß Artikel 16 EUDR müssen die zuständigen Behörden Kontrollen durchführen, um festzustellen, ob die Marktteilnehmer und Händler die EUDR einhalten. Für diese Kontrollen verwenden die Behörden einen risikobasierten Ansatz, der durch die Risikoklassifizierung definiert ist: 1% bei „geringem Risiko“, 3% bei „normalem Risiko“ und 9% bei „hohem Risiko“. Dies bedeutet, dass mindestens 9% aller Marktteilnehmer, welche Produkte aus Hochrisikoländern beziehen, einer Konformitätskontrolle unterzogen werden. Darüber hinaus haben die Behörden gemäß Artikel 17 Absatz 3 EUDR das Recht, Lieferketten bis zu 72 Stunden lang zu stoppen, wenn sie feststellen, dass bei einem Produkt ein hohes Risiko einer Nichtkonformität besteht.