Koalition plant grundlegende Reformen in allen Bereichen des Lieferkettenrechts
Am 9. April 2025 haben CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag für die kommende Legislaturperiode vorgestellt. Die SPD-Basis hat diesem am 30. April bereits zugestimmt. Die neue Regierung plant grundlegende Reformen in allen Bereichen des Außenwirtschaftsrechts sowie der Nachhaltigkeitsregulierung. Wir geben einen Überblick über die zentralen Änderungsvorhaben.
Stärkung der EU-Kompetenzen bei Freihandelsabkommen
Die kommende Bundesregierung bekennt sich zum regelbasierten Handelssystem. Sie will bereits in der Entstehung begriffene Freihandels- und Investitionsschutzabkommen vorantreiben (etwa mit Chile, Mercosur und Mexiko) und unterstützt die Verhandlung neuer Abkommen (z.B. die laufenden Verhandlungen mit Indien, Australien und den ASEAN-Staaten). Mittelfristig soll auch ein Freihandelsabkommen mit den USA geschlossen werden, kurzfristig der Handelskonflikt deeskaliert werden. Laut dem Koalitionsvertrag sollen Handelsverträge in Zukunft ausschließlich durch die EU abgeschlossen werden, ohne dass eine separate Ratifizierung durch die einzelnen Mitgliedstaaten erforderlich ist (sogenanntes EU-only-Prinzip). Die nationale Ratifizierung war in der Vergangenheit teilweise die entscheidende Hürde beim Abschluss neuer Abkommen und im Rahmen der Diskussionen auf EU-Ebene (bekannt als „German Vote“). Das EU-only-Prinzip wäre bei gemischten Freihandels- und Investitionsschutzabkommen aufgrund des Investitionsschutzbestandteils, für den die EU nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügt, nicht möglich ist. Das wird insbesondere für das geplante Abkommen mit den Mercosur-Staaten relevant werden.
Paradigmenwechsel im AWG – Wegfall von Exportgenehmigungen?
Im nationalen Recht plant die Koalition eine erneute Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG). Dadurch sollen Prüfverfahren allgemein beschleunigt und vereinfacht und der angekündigte Paradigmenwechsel für die Warenausfuhr vollzogen werden. Prüfverfahren sollen demnach zukünftig nur noch stichprobenartig durchgeführt werden. Dadurch soll das Erfordernis einer vorherigen Exportgenehmigung entfallen. Mit Blick auf die europarechtlichen Verpflichtungen Deutschlands dürfte sich dieses Vorhaben aber keinesfalls für alle Güterklassen umsetzen lassen.
Das wird auch im Koalitionsvertrag anerkannt. So bekräftigt die Koalition, dass die Sanktionen gegen Russland konsequent umgesetzt werden sollen. Sie unterstützt EU-Pläne, Zölle auf den Import von Düngemitteln aus Russland und Belarus einzuführen.
Geplante Neuregelung der Lieferkettenverantwortung – national und europäisch
Ausweislich des Koalitionsvertrags soll die unternehmerische Verantwortung in globalen Lieferketten grundlegend überarbeitet werden. Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) soll nicht nur „abgeschafft“, sondern Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten – mit Ausnahme massiver Menschenrechtsverletzungen – sollen nicht mehr sanktioniert werden. Damit werden voraussichtlich auch die bisherigen Berichtspflichten der Unternehmen nach § 10 LkSG entfallen. Zwar spricht der Koalitionsvertrag von einer „Abschaffung“ des LkSG – gemeint ist aber letztlich eine Ersetzung des LkSG durch das Umsetzungsgesetz zur EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD). Bis zur Umsetzung der CSDDD sollen demnach Vereinfachungen gelten, gleichwohl bleibt vieles voraussichtlich beim Alten: Die Möglichkeit der Erhebung von Beschwerden gegen Unternehmen durch Betroffene oder deren Vertreter bleibt beispielsweise bestehen, sodass Unternehmen auch in Zukunft mit Auskunftsverfahren des BAFA zu tun haben werden. Bis spätestens 26. Juli 2026 (bzw. 26. Juli 2027) muss die Bundesregierung dann die CSDDD umzusetzen – die „Stop-the-clock-Richtlinie“ zur Verschiebung der Umsetzungsfrist auf den 26. Juli 2027 wurde am 4. April 2025 veröffentlicht und ist von den Mitgliedsstaaten bis zum 31. Dezember 2025 umzusetzen. Die Koalition plant zur Umsetzung der CSDDD ein neues „Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung“, in dem die CSDDD „möglichst bürokratiearm und vollzugsfreundlich“ in nationales Recht übertragen wird. Für Unternehmen bleibt es zum jetzigen Zeitpunkt dennoch bei den Sorgfaltspflichten des LkSG.
Darüber hinaus thematisiert der Koalitionsvertrag auch Nachhaltigkeitsregularien auf EU-Ebene mit dem Ziel, übermäßige Bürokratie zu verhindern. Konkret soll die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) durch die Einführung einer „Null-Risiko-Variante“ nicht angewendet werden. Das Bestreben, eine vierte „Null-Risiko-Kategorie“ für das EUDR-Benchmarking-System hinzuzufügen, war bereits im November und Dezember 2024 Gegenstand des Trilogverfahrens und ist dort wiederholt gescheitert. Angesichts der am 15. April 2025 veröffentlichten FAQ der Europäischen Kommission und der Information, dass die Umsetzung des Benchmarking-Systems bisher im geplanten Zeitplan liegt, scheint die Nichtanwendung der EUDR bzw. die Umsetzung einer „Null-Risiko-Variante“ unwahrscheinlich. Ferner will die Koalition überbordende Regulierungen durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), den CO₂Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), die Regelungen zu nachhaltigen Investitionen (Taxonomie) und entsprechende Durchführungsrechtsakte verhindern. Deutschland unterstützt damit die zuletzt im Omnibus-Verfahren vorgeschlagenen Änderungen der europäischen Nachhaltigkeitsvorgaben.
Fazit und Ausblick
Die angekündigten Reformvorhaben sind weitreichend, bleiben aber weich formuliert. Wie genau die Änderungen ausfallen werden, bleibt im Koalitionsvertrag naturgemäß oft vage. Dabei ist zu bedenken, dass der Einfluss der Bundesregierung auf europäischer Ebene nicht unbegrenzt ist, insbesondere in Bezug auf bereits in Kraft getretene EU-Verordnungen wie die EUDR. Unternehmen sollten die Entwicklungen im Blick behalten, allerdings auf Basis der geltenden Rechtslage handeln – dies gilt speziell für das LkSG und die EUDR. Das grundsätzliche Anliegen des Koalitionsvertrags, Unternehmen von übermäßiger Bürokratie zu entlasten, ohne dabei die Verantwortung für nachhaltiges und sozialverträgliches Wirtschaften aus den Augen zu verlieren, ist zu begrüßen.