Fast Track für die Reform des Unionszollkodex?

Feb 20, 2025

Die Europäische Kommissionstellte am 5. Februar 2025 ihre Toolbox für einen sicheren und nachhaltigen elektronischen Handel vor. Die darin enthaltenen Maßnahmen sind nicht neu, sondern wiederholen in wesentlichen Teilen die Vorschläge der Kommission für eine Reform des Unionszollkodexes, welche sie bereits im Mai 2023 vorgestellt hat. Neu ist allerdings, dass die Kommission die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen im Bereich E-Commerce erheblich beschleunigen möchte. Unter anderem schlägt sie vor, die Zollrechtsreform auf 2026 vorzuziehen.

Hintergrund

Die Zahl der täglich in den Unionsmarkt eingehenden Sendungen mit geringem Wert (unter EUR 150) vervielfachte sich in den letzten Jahren von vier Millionen im Jahr 2022 auf 12 Millionen im Jahr 2024. Oft handelt es sich dabei um Waren, die nicht den Anforderungen des europäischen Rechts, insbesondere des Produktsicherheits- aber auch des Umweltschutzrechts, genügen. Das birgt Gefahren für die Gesundheit von Verbrauchern, schädigt die Umwelt, vergrößert den CO2‑Fußabdruck und bringt Wettbewerbsnachteile für (EU-)Unternehmen, die sich an geltendes Recht halten. Dieser Entwicklung möchte die Kommission entgegentreten.

Grundlegende Reform des Zollrechts – schon 2026?

Die sich aus dem exponentiell wachsenden E-Commerce ergebenden Herausforderungen nimmt die Kommission zum Anlass, den europäischen Gesetzgeber erneut aufzufordern, die grundlegende Reform des Zollrechts zügig zu verwirklichen. Zentrale Maßnahmen der Reform sind ein neuer Unionszollkodex, die Gründung einer EU-Zollbehörde (EU Customs Authority) und die Schaffung einer EU-Zolldatenplattform (EU Customs Data Hub).

Die EU-Zolldatenplattform soll Einführern ermöglichen, Zollanmeldungen in einem einzigen System – anstelle der nationalen Zollsysteme – abzugeben. Außerdem soll die Plattform auch Melderegister wie das CBAM-Melderegister oder das EUDR-Informationssystem vereinen. So sollen die Kosten für die Unternehmen und der Verwaltungsaufwand für die Mitgliedsstaaten reduziert werden.

Für den E-Commerce sieht der Vorschlag die Abschaffung der Zollbefreiung für Sendungen mit geringem Wert (bis zu 150 EUR) vor. Auf diese Weise möchte sie dem Missbrauch der Zollbefreiung für Waren mit geringem Wert – durch systematische Unterbewertung oder Aufteilung auf mehrere Sendungen – einen Riegel vorschieben. Außerdem sieht die Reform vor, Online-Marktplätze und Verkäufer unter bestimmten Voraussetzungen als fiktive Einführer („deemed importer“) zu erfassen mit der Folge, dass sie die Einfuhrabgaben abführen und sicherstellen, dass die eingeführten Waren den EU-Vorschriften entsprechen.

Der erneute Vorstoß der Kommission enthält auch zusätzliche Neuerungen: Online-Händlern soll eine Bearbeitungsgebühr auferlegt werden, wenn sie Waren unmittelbar an Verbraucher verkaufen. Die Gebühr soll die Kosten der Überwachung zahlreicher Verbote und Beschränkungen in Bezug auf die wachsende Anzahl von Sendungen mit geringem Wert decken.

Am relevantesten und eindrücklichsten ist der ambitionierte Zeithorizont, den die Kommission vorgibt. Angesichts der rasant ansteigenden Zahl von Einfuhren will die Kommission die Reform auf 2026 – insbesondere die Einrichtung der EU-Zollbehörde und die Vorbereitungen zur Einrichtung der EU-Zolldatenplattform – vorziehen. Das Vorhaben muss allerdings noch formal das Gesetzgebungs- und Trilogverfahren durchlaufen.

Schritte in Richtung Nachhaltigkeit

In der Toolbox widmet sich die EU-Kommission zudem den Klima- und Umweltauswirkungen der Einfuhr geringwertiger Produkte. Um diese einzudämmen, schlägt die Kommission verschiedene Maßnahmen vor.

Die Kommission möchte die Vorgaben der seit 18. Juli 2024 in Kraft getretenen Ökodesign-Verordnung (ESPR) genauer ausgestalten. Die Kommission plant, im April 2025 den ersten Aktionsplan zur ESPR zu veröffentlichen. Mit dem Aktionsplan werden für die priorisierten Produktgruppen Ökodesign-Vorgaben entwickelt, die Gegenstand des Delegierten Rechtsaktes der Kommission sein werden. Konkret wird es dabei um Designvorgaben aber auch Regeln für Sammlung, Recycling und Entsorgung der Produkte gehen. Ähnliche Vorgaben existieren bereits für Verpackungen (PPWR), Batterien (Batterieverordnung) und Elektroartikel (WEEE). Neben den Ökodesign-Vorgaben sollen im Juli 2025 Regeln folgen, die es verbieten, unverkaufte Produkte zu zerstören.

Ferner drängt die Kommission darauf, die bereits im Juli 2023 vorgeschlagene Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie umzusetzen. Diese Reform würde auch eine erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien und Schuhe einführen.

Darüber hinaus plant die Kommission im vierten Quartal 2025 ein Gesetz über die Kreislaufwirtschaft, den sogenannten Circular Economy Act, vorzuschlagen. Darin sollen die Regelungen zur erweiterten Herstellerverantwortung weiterentwickelt und harmonisiert werden. Die Kommission erwägt auch, eine zentrale Anlaufstelle für die Registrierung der Hersteller zu schaffen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Toolbox der Kommission für sicheren und nachhaltigen elektronischen Handel vom 5. Februar 2025 enthält verschiedene politische Forderungen und (geplante) rechtliche Instrumente. Die angestrebten Maßnahmen betreffen aber nicht ausschließlich den E-Commerce, sondern sind auch allgemeiner Natur, wie die Reform des europäischen Zollrechtsund die Einführung neuer Nachhaltigkeitsstandards.

Der beabsichtigte Umsetzungszeitraum ist mit 2026 durchaus ambitioniert, jedoch auch nicht völlig unrealistisch. Angesichts des massiven Drucks auf europäische Wirtschaftsbeteiligte, die Marktanteile an drittländische E-Commerce-Plattformen verlieren, wäre es zu begrüßen, wenn der von der Kommission avisierte Umsetzungszeitraum tatsächlich eingehalten werden könnte.