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EU-Kommission legt umfassenden Vorschlag zur Reform der Tabaksteuerrichtlinie vor

Aug 6, 2025

Die Europäische Kommission hat am 16. Juli 2025 einen umfassenden Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie 2011/64/EU (Tabaksteuerrichtlinie) vorgelegt. Mit der Neufassung der Tabaksteuerrichtlinie soll die Besteuerung von Tabak und verwandten Produkten grundlegend modernisiert werden. Zu diesem Zweck sollen insbesondere eine Reihe neuer Produktkategorien eingeführt werden, die neue Entwicklungen, Marktbedingungen und gesundheitspolitische Herausforderungen berücksichtigen. Die Neufassung der Tabaksteuerrichtlinie soll ab dem 1. Januar 2028 anwendbar sein.

Erweiterung des Anwendungsbereichs: Einführung neuer Produktkategorien

Ein zentrales Element der Reform ist die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf neue Produktkategorien. Dazu zählen insbesondere Liquids für elektronische (auch nikotinfreie) Zigaretten, „heated tobacco“, „nicotine pouches“ sowie sonstige nikotinhaltige Produkte ohne Tabak. Diese Produkte waren bislang nicht oder nur uneinheitlich auf nationaler Ebene besteuert. Die Europäische Kommission schlägt nun eine EU-weite Harmonisierung vor, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und die Wirksamkeit gesundheitspolitischer Maßnahmen zu erhöhen.

Auch Rohtabak soll künftig unter die Richtlinie fallen: Die Anwendung des Excise Movement and Control System (EMCS) soll auf Rohtabak ausgeweitet werden. Der vorgeschlagene Mindeststeuersatz soll jedoch vorerst null Euro betragen. Die neuen Maßnahmen sollen die Nachverfolgbarkeit von Tabak- und verwandten Produkten verbessern, Steuerhinterziehung erschweren und die Bekämpfung des illegalen Handels erleichtern. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass durch die neuen Kontrollmechanismen 10 bis 20 % der derzeitigen Steuerausfälle (geschätzt auf 13 Mrd. EUR jährlich) zurückgewonnen werden könnten. Schon heute unterwerfen einzelne Mitgliedstaaten Rohtabak und Tabakabfälle der Tabaksteuer, sofern sie nach Ansicht der Behörden „rauchbar“ sind. In der Praxis führt das zu umfangreichen Meldepflichten beim Transport oder der Durchfuhr von Rohtabak oder Tabakabfällen im oder durch das Steuergebiet einzelner Mitgliedstaaten.

Der Vorschlag der Kommission zur Modernisierung der Tabaksteuerrichtlinie enthält auch Regelungen für Produkte, die ihrer Beschaffenheit nach mehr als einer Kategorie unterfallen, beispielsweise sowohl der Definition von „heated tobacco“ als auch von „Zigaretten“.

Das Ziel der Europäischen Kommission, Missbrauch, Steuerhinterziehung und illegalen Tabakhandel zu verhindern, führt zugleich dazu, dass die Hürden für den legalen Handel mit Tabakprodukten erhöht werden. Die Risiken, das bei Arbeitsfehlern oder ungenauer Produktklassifizierung ungewollt Verbrauchsteuern entstehen, steigen.

Neue Berechnungsgrundlage: Kombination aus Nominalwert und Kaufkraft

Die bisherige Praxis, Mindeststeuersätze ausschließlich in nominalen Beträgen festzulegen, soll nach Vorschlag der Europäischen Kommission durch ein neues Mischmodell ersetzt werden. Künftig sollen zwei Drittel des Mindeststeuersatzes in festen Eurobeträgen und ein Drittel auf Basis der Kaufkraft des jeweiligen Mitgliedstaats berechnet werden. Dabei soll für jeden Mitgliedstaat ein „Price Level Index“ (PLI) berechnet werden, der die Kaufkraftparität („Purchasing Power Parity“, PPP) innerhalb der EU berücksichtigt. Die festen Eurobeträge sollen zudem je nach Inflationsentwicklungen prozentual erhöht oder verringert werden, wobei die Inflationsentwicklungen der vergangenen drei Jahre maßgeblich sind. Die Anpassungen der Mindeststeuersätze soll alle drei Jahre erfolgen und berücksichtigt im Ergebnis sowohl Inflationsentwicklungen als auch wirtschaftliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Ziel des neuen Modells ist es, die Effektivität der Mindeststeuersätze zu erhöhen, insbesondere in wirtschaftlich stärkeren Mitgliedstaaten, in denen die bisherigen Sätze kaum noch steuernde Wirkung entfalten. Gleichzeitig soll die neue Systematik eine gerechtere Verteilung der Steuerlast ermöglichen.

Gesundheitsschutz und Steuerharmonisierung als Leitprinzipien

Die Reform der Tabaksteuerrichtlinie ist eng mit dem „Europe’s Beating Cancer Plan“ verknüpft, der eine „tabakfreie Generation“ bis 2040 anstrebt. Die Europäische Kommission betont die Rolle der Besteuerung als eines der wirksamsten Instrumente zur Reduzierung des Tabakkonsums –insbesondere bei Jugendlichen. Durch die Angleichung der Steuersätze zwischen verschiedenen Produktkategorien (z. B. Zigaretten, Feinschnitt, Cigarillos, Wasserpfeifentabak) soll die steuerlich motivierte Substitution hin zu günstigeren Produkten unterbunden werden.

Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Reform der Tabaksteuerrichtlinie markiert den Auftakt des Gesetzgebungsverfahrens auf europäischer Ebene. Im nächsten Schritt wird der Entwurf im Rat der Europäischen Union sowie im Europäischen Parlament beraten. Dabei sind insbesondere die Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament von zentraler Bedeutung, um eine Einigung über die endgültige Fassung der Richtlinie zu erzielen. Erst nach erfolgreichem Abschluss dieser Verhandlungen und der formellen Zustimmung aller Beteiligten kann die überarbeitete Richtlinie in Kraft treten. Ob der Vorschlag der Europäischen Kommission tatsächlich in der Form umgesetzt wird, ist also noch offen. Die Verhandlungen zwischen den drei EU-Institutionen können noch umfangreiche Änderungen zur Folge haben.

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