18. Sanktionspaket: EU ersetzt SWIFT-Ausschluss durch umfassendes Transaktionsverbot gegenüber gelisteten Banken
Mit dem 18. Sanktionspaket verschärft die Europäische Union ihre finanzbezogenen Maßnahmen gegenüber Russland und Belarus. An die Stelle des bislang geltenden SWIFT-Ausschlusses tritt ein umfassendes Transaktionsverbot, das nicht nur technische Kommunikationswege, sondern jegliche wirtschaftliche Interaktion mit gelisteten Finanzinstituten untersagt. Die Maßnahme markiert einen qualitativen Schritt im unionsrechtlichen Sanktionsregime und zielt darauf, verbleibende Umgehungstatbestände wirksam zu unterbinden.
Art. 5h Abs. 1 Verordnung (EU) 833/2014 n. F. und Art. 1zb Abs. 1a Verordnung (EU) 765/2006 n.F. untersagen sämtliche Transaktionen – unmittelbar oder mittelbar – mit juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die in Anhang XIV (Russland) bzw. Anhang XV (Belarus) gelistet sind. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz in Russland oder Belarus, die zu mehr als 50 % von einer gelisteten Einrichtung gehalten werden. Anhang XIV wurde im Zuge der Neuregelung erweitert und umfasst nun 45 Finanzinstitute.
Zulässig bleiben nur Transaktionen für diplomatische oder konsularische Zwecke sowie für EU-Staatsangehörige, die sich bereits vor dem 24. Februar 2022 in Russland oder Belarus niedergelassen haben. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, auf Einzelantrag Transaktionen zu genehmigen, soweit diese zur Abwicklung bestehender Tätigkeiten oder zum Rückzug vom russischen/belarussischen Markt zwingend erforderlich sind (Art. 5h Abs. 1b VO (EU) 833/2014 n.F. und Art. 1zb Abs. 1b VO (EU) Nr. 765/2006 n. F.).
Vom Kommunikationsausschluss zum Substanzverbot: Hintergrund der Verschärfung des SWIFT-Ausschlusses
Der bisherige Ausschluss russischer und belarussischer Banken vom SWIFT-System beruhte auf einem sektoralen Verbot, spezialisierte Nachrichtenübermittlungsdienste für den Zahlungsverkehr bereitzustellen. Rechtsadressat war die in Belgien ansässige Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) SCRL. Nach Maßgabe des Art. 5h Abs. 1 VO (EU) Nr. 833/2014 (a. F.) und Art. 1zb VO (EU) Nr. 765/2006 (a. F.) war es verboten, bestimmten in Anhang XIV bzw. Anhang XV gelisteten Einrichtungen den Zugang zu solchen Diensten zu gewähren.
SWIFT ist ein hochstandardisiertes, globales Nachrichtensystem, das von Banken genutzt wird, um strukturierte Zahlungsnachrichten zu versenden und zu empfangen. Die technische Funktion beschränkt sich dabei auf den Austausch der Zahlungsinformationen; die tatsächliche Verrechnung erfolgt über separate Zahlungs- und Settlement-Systeme.
Mit dem Ausschluss vom SWIFT-System verloren die betroffenen Institute die Möglichkeit, auf die weltweit etablierte Nachrichteninfrastruktur zur Zahlungsabwicklung zuzugreifen. Dieser Ausschluss hatte zwar erhebliche praktische Auswirkungen, technisch war es jedoch theoretisch weiterhin möglich, Zahlungsinformationen außerhalb des SWIFT-Standards zu übermitteln, etwa durch eine manuelle Übermittlung (zum Beispiel per E-Mail, Fax, Telefon), die Nutzung alternativer Nachrichtensysteme, wie etwa das russische SPFS (Система передачи финансовыхсообщений) oder das chinesische CIPS (Cross-Border Interbank Payment System) oder die Zwischenschaltung nicht sanktionierter Intermediärbanken, insbesondere über Drittstaaten.
Der SWIFT-Ausschluss wirkte damit primär als technisches Infrastrukturverbot, das den Zugang zu einem zentralen Kommunikationskanal im Zahlungsverkehr untersagte, ohne jedoch die Transaktion als solche zu verbieten.
Transaktionsverbot: Rechtlicher Ausschluss wirtschaftlicher Interaktion
Mit dem Übergang vom SWIFT-basierten Kommunikationsverbot zu einem materiellen Transaktionsverbot verfolgt die Europäische Union das Ziel, sämtliche finanzwirtschaftlichen Beziehungen zu bestimmten russischen und belarussischen Finanzinstituten auszuschließen.
Die neuen Maßnahmen entfalten im Vergleich zum bisherigen SWIFT-Ausschluss eine deutlich weiterreichende Wirkung. Das Transaktionsverbot betrifft nicht nur den Zugang zu bestimmten Nachrichtensystemen, sondern untersagt jede Form wirtschaftlicher Transaktion mit den gelisteten Einrichtungen – unabhängig vom Kommunikationsweg. Auch alternative Kanäle sind erfasst, sofern sie eine wirtschaftliche Verbindung zu einem gelisteten Finanzakteur herstellen. Das Verbot erstreckt sich zudem auf sämtliche Phasen der Transaktion, also sowohl das Verpflichtungsgeschäft (zum Beispiel Abschluss eines Kredit-, Zahlungs-oder Sicherungsgeschäfts) als auch das Verfügungsgeschäft (zum Beispiel Zahlungsausführung, Mittelbereitstellung, Erfüllung bestehender Verträge). Schließlich fallen auch mittelbare Transaktionen – etwa über Intermediärbanken, Korrespondenzbeziehungen oder Drittkonstruktionen – unter das Verbot, sofern wirtschaftlich ein Vorteil für die gelistete Einrichtung resultiert.
Auswirkungen auf russische Tochterunternehmen
Für russische Tochtergesellschaften von EU-Unternehmen findet das Transaktionsverbot gemäß Art. 5h der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung. Gleichwohl ist eine weitergehende Prüfung unter Berücksichtigung des Art. 8a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 erforderlich. Die bloße rechtliche Zulässigkeit einer Transaktion durch eine Drittstaatseinheit entbindet die Muttergesellschaft nicht von ihrer Verpflichtung, aktiv und wirksam etwaige Umgehungstatbestände zu unterbinden.
Der Rat stellt in Erwägungsgrund 18 des Beschlusses (GASP) 2025/1495 sowie in Erwägungsgrund 17 der Verordnung (EU) 2025/1494 ausdrücklich klar, dass das Transaktionsverbot keine extraterritoriale Wirkung entfaltet:
„Die restriktiven Maßnahmen der Union [haben] keine extraterritoriale Wirkung und [sind] für Wirtschaftsbeteiligte, die nach dem Recht von Drittländern, einschließlich Russlands, gegründet wurden, nicht bindend […].“
Hinsichtlich Tochterunternehmen europäischer Unternehmen in Drittländern wird ergänzend festgestellt:
„Transaktionen zwischen juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet oder eingetragen wurden, und ihren Tochterunternehmen in Drittländern […] gelten nicht als Verstoß gegen dieses Verbot, einschließlich in Fällen, in denen Kredit- oder Finanzinstitute, für die das Transaktionsverbot gilt, an diesen Transaktionen beteiligt sind.“
Folglich erstreckt sich das Verbot des Art. 5h Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nicht automatisch auf rechtlich selbstständige Drittlandstöchter europäischer Muttergesellschaften. Tätigt eine solche Tochtergesellschaft eigenverantwortlich eine Transaktion mit einer in Anhang XIV gelisteten Einrichtung, liegt kein Verstoß gegen das Transaktionsverbot vor – selbst wenn dieselbe Handlung innerhalb der Europäischen Union oder durch ein in der Europäischen Union ansässiges Unternehmen unzulässig wäre. Das folgt – unabhängig von Erwägungsgrund 17 – bereits aus Art. 13 der Verordnung 833/2014.
Dies gilt jedoch
„[u]nbeschadet des Artikels 8a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014“.
Das bedeutet: Auch wenn eine Transaktion durch eine Drittlandtochter formal nicht unter Art. 5h Verordnung (EU) Nr. 833/2014 fällt, kann sie dennoch sanktionsrechtlich relevant sein. Ein Verstoß gegen Art. 8a Verordnung (EU) Nr. 833/2014 liegt insbesondere dann nahe, wenn die EU-Muttergesellschaft es unterlässt, angemessene und zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um auf die Tochtergesellschaft einzuwirken. Eine absolute Erfolgspflicht besteht aber nicht.
Für betroffene Unternehmen bedeutet dies einen erheblich erweiterten Compliance-Aufwand: Sämtliche Beziehungen zu russischen oder belarussischen Banken sind unter Berücksichtigung der neuen Anhänge (XIV/XV) zu überprüfen. Bestehende Verträge mit gelisteten Akteuren dürfen nicht mehr erfüllt, neue nicht mehr abgeschlossen werden. Auch mittelbare Verbindungen über Korrespondenzbanken oder Zahlungsdienstleister bedürfen einer sorgfältigen Prüfung unter Einbeziehung des Umgehungsverbots nach Art. 12 Verordnung (EU) Nr. 833/2014.