Einfuhrumsatzsteuer: Formale Fehler stehen einer Abgabenbefreiung nicht entgegen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass formale Fehler bei der Wiedereinfuhr von Waren – etwa fehlende Gestellung oder Anmeldung – einer Mehrwertsteuerbefreiung nicht entgegenstehen, sofern keine Täuschungsabsicht vorliegt. Im Fokus stand die Rückführung von Turnierpferden ohne ordnungsgemäße Zollformalitäten. Der EuGH betont den Vorrang materieller Voraussetzungen und schützt gutgläubige Wirtschaftsteilnehmer vor steuerlichen Nachteilen bei bloß fahrlässigen Verstößen. Das Urteil stärkt die Rechtssicherheit im EU-Zollrecht über den Einzelfall hinaus.
Einfuhrumsatzsteuer: Formale Fehler stehen einer Abgabenbefreiung nicht entgegen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass die Nichterfüllung formaler Verpflichtungen einer Mehrwertsteuerbefreiung nicht entgegensteht, sofern kein Täuschungsversuch vorliegt. Fahrlässige Verstöße gegen formale Verpflichtungen durch gutgläubige Wirtschaftsteilnehmer sollen eine Abgabenbefreiung nicht verhindern. In dem vom EuGH entschiedenen Fall waren die Waren nicht gestellt und nicht zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet worden.
Ausgangsfall: Wiedereinfuhr von Turnierpferden
Das Urteil des EuGH befasst sich mit der Auslegung von Art. 143 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG sowie Art. 86 Abs. 6 und Art. 203 des Unionszollkodex (UZK). Streitentscheidend war die Frage, ob die Wiedereinfuhr von Gegenständen – konkret von Turnierpferden – in das Zollgebiet der Union von der Mehrwertsteuer befreit werden kann, wenn bestimmte formale zollrechtliche Pflichten nicht erfüllt wurden. Ausgangspunkt war ein schwedischer Rechtsstreit, in dem die Eigentümerin zweier Pferde, die nach Norwegen ausgeführt und anschließend ohne ordnungsgemäße Gestellung und Anmeldung wieder in die EU eingeführt wurden, zur Zahlung von Mehrwertsteuer herangezogen wurde. Die schwedischen Gerichte hatten die Steuerpflicht bejaht, da die formalen Voraussetzungen für eine Zoll- und damit auch Mehrwertsteuerbefreiung nicht erfüllt worden seien. Das oberste Verwaltungsgericht Schwedens legte dem EuGH die Frage vor, ob die Nichterfüllung solcher formaler Pflichten die Steuerbefreiung ausschließt, wenn kein Täuschungsversuch vorliegt.
Rechtliche Würdigung: Verhältnis von materiellen und formalen Voraussetzungen
Der EuGH stellt klar, dass die Mehrwertsteuerbefreiung für wiedereingeführte Waren nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie an die Zollbefreiung nach Art. 203 UZK für Rückwaren geknüpft ist. Die Zollbefreiung nach Art. 203 UZK enthält materielle und formale Voraussetzungen: Materiell verlangt die Vorschrift, dass die Waren innerhalb von drei Jahren in demselben Zustand wie bei der Ausfuhr wiedereingeführt werden. Formal ist eine Anmeldung zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr sowie die Gestellung der Waren erforderlich. Im vorliegenden Fall waren die materiellen Voraussetzungen erfüllt, da die Pferde nachweislich unverändert wiedereingeführt wurden. Die formalen Anforderungen – insbesondere die Gestellung und Anmeldung – wurden jedoch nicht eingehalten.
Sodann verweist der EuGH auf Art. 86 Abs. 6 UZK, wonach eine Zollbefreiung auch dann zu gewähren ist, wenn eine Zollschuld aufgrund formaler Versäumnisse nach Art 79 UZK entstanden ist, sofern kein Täuschungsversuch vorliegt. Diese Regelung dient dem Schutz gutgläubiger Wirtschaftsteilnehmer und soll die Folgen bloß fahrlässigen Verhaltens abmildern. Der EuGH hebt hervor, dass eine enge Auslegung dieser Vorschrift deren praktische Wirksamkeit untergraben würde. Vielmehr sei sie gerade für Fälle gedacht, in denen formale Pflichten ohne Täuschungsabsicht nicht erfüllt wurden.
Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Nichterfüllung formaler Verpflichtungen – wie die Gestellung der Waren oder die Anmeldung zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr – der Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht entgegensteht, sofern kein Täuschungsversuch vorliegt. Diese Auslegung wird durch den 38. Erwägungsgrund des UZK gestützt, der den guten Glauben der Beteiligten schützt.
Bedeutung des Falles über die Wiedereinfuhr hinaus
Das Urteil stärkt die Rechtssicherheit für Einführer und deren Vertreter und betont die Bedeutung des guten Glaubens im EU-Zollrecht. Es stellt klar, dass formale Fehler nicht automatisch zu steuerlichen Nachteilen führen dürfen, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind und keine betrügerische Absicht vorliegt. Die Aussagen des Gerichts lassen sich über den Fall der Wiederausfuhr auf vielfältige Sachverhalte übertragen, in denen Unternehmen fahrlässig gegen formale Voraussetzungen der Abgabenbefreiung verstoßen, während alle materiellen Voraussetzungen der Abgabenbefreiung vorliegen.