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Zollrecht: EuGH konkretisiert die Erstattung von Amts wegen

Oct 31, 2025

Mit seinem Urteil C-206/24 vom 1. August 2025 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine Zollbehörde verpflichtet ist, rechtsgrundlos erhobene Einfuhrabgaben von Amts wegen zu erstatten. Der EuGH stellt klar: Eine Erstattung von Amts wegen setzt voraus, dass die Zollbehörde innerhalb von drei Jahren nach buchmäßiger Erfassung selbst feststellt, dass die Abgaben rechtsgrundlos erhoben wurden – und dabei auch die Identität der betroffenen Person sowie den Erstattungsbetrag kennt. Fehlen diese Informationen, muss die Behörde angemessene, aber nicht unverhältnismäßige Maßnahmen ergreifen, um sie zu beschaffen. Gelingt dies nicht, entfällt die Erstattungspflicht nach Fristablauf – selbst dann, wenn sie innerhalb der Frist festgestellt hat, dass die Abgaben nicht gesetzlich geschuldet waren.

Historische Entwicklung der Erstattungsvorschriften

Die Entscheidung beruht auf der Auslegung der im zugrunde liegenden Falls anwendbaren Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 1430/79. Diese Regelung galt bis zum Inkrafttreten des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK), der ab dem 1. Januar 1994 wirksam wurde. Der ZK wurde später durch den sogenannten Modernisierten Zollkodex (Verordnung (EG) Nr. 450/2008) ersetzt, der seinerseits durch den heute geltenden Zollkodex der Union (UZK) (Verordnung (EU) Nr. 952/2013) abgelöst wurde.

Die Erstattung von rechtsgrundlos gezahlten Einfuhrabgaben ist heute in Art. 116 ff. in Verbindung mit Art. 121 UZK geregelt. Da die Voraussetzungen für die Erstattung von Einfuhrabgaben von Amts wegen in Art. 116 Abs. 4 UZK im Wesentlichen unverändert sind, hat das Urteil des EuGH zu Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1430/79 unmittelbare Auswirkungen auf die heutige Rechtslage.

Rechtsgrundlose Erhebung von Zöllen als Ausgangspunkt des Rechtsstreits

Zwischen 1988 und 1991 erhob die französische Zollverwaltung Zölle auf Waren, die aus Drittländern nach Andorra eingeführt wurden – obwohl diese Einfuhren unionsrechtlich zollfrei hätten erfolgen müssen. Erst 1991 erkannte die Europäische Kommission den Rechtsverstoß und Frankreich hob die Praxis auf. Die betroffenen Importeure klagten jedoch erst im Jahr 2008 auf Erstattung der rechtsgrundlos erhobenen Zölle. Die französischen Zollbehörden verweigerten die Erstattung von Amts wegen mit Verweis auf die Dreijahresfrist gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 1430/79. Diese Frist war längst abgelaufen; zudem hatte die Zollbehörde innerhalb dieser dreijährigen Frist keine vollständige Feststellung über die rechtsgrundlose Erhebung der Einfuhrabgaben getroffen – insbesondere fehlte ihr die Kenntnis über die Identität der Zollschuldner und die konkreten Erstattungsbeträge.

Rechtliche Voraussetzungen der Erstattung von Amts wegen

Das Zollrecht kennt – sowohl nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1430/79 als auch nach Art. 116 i.V.m. Art. 121 UZK – zwei Erstattungsmodalitäten: die Erstattung auf Antrag und die Erstattung von Amts wegen. Gegenstand des EuGH-Urteils C-206/24 ist ausschließlich die Erstattung von Amts wegen gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 1430/79, heute geregelt in Art. 116 Abs. 4 UZK.

Der EuGH stellt klar, dass die Erstattung von Amts wegen daran geknüpft ist, dass die zuständige Behörde innerhalb der Dreijahresfrist nach buchmäßiger Erfassung selbst feststellt, dass die Zölle rechtsgrundlos erhoben wurden. Diese Feststellung ist allerdings nur wirksam, wenn die Behörde sowohl die Identität der Person, die die Abgaben entrichtet hat, als auch den konkreten Erstattungsbetrag kennt.

Fehlen der Behörde diese Informationen, ist sie im Rahmen ihrer Prüfung verpflichtet, angemessene Maßnahmen (z. B. Nachforschungen) zu ergreifen, um diese Informationen zu beschaffen. Dabei darf sie sich nicht auf administrative oder finanzielle Schwierigkeiten ihrer Behörde berufen, muss jedoch auch keine Maßnahmen ergreifen, deren Aufwand außer Verhältnis steht.

Hat die Behörde innerhalb der Dreijahresfrist solche angemessenen, aber erfolglosen Maßnahmen unternommen, entfällt nach Fristablauf die gesetzliche Verpflichtung zur Erstattung von Amts wegen – selbst dann, wenn die Rechtswidrigkeit der Abgabenerhebung innerhalb der Frist erkannt wurde.

Folgen für die Praxis

Einerseits stärkt das EuGH-Urteil C-206/24 die Position von Zollschuldnern, da das Gericht den Inhalt der Erstattung von Amts wegen konkretisiert und von den Zollbehörden zumutbare Nachforschungen im Hinblick auf den Umfang der Erstattungsansprüche verlangt. Andererseits sollten Zollschuldner sich nicht allzu sehr auf die gesetzlich normierte Erstattungspflicht von Amts wegen verlassen, sondern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit gezahlter Einfuhrabgaben nach Möglichkeit selbst rechtzeitig tätig werden. Zollschuldner sollten ihre Zollvorgänge prüfen und sicherstellen, dass relevante Anträge rechtzeitig eingereicht werden.